Christina Schmid
Konzeption und Gestaltung

Freundinnen

Ich liege wach und denk an dich. Und dass dir dein Papa mal vorgeschlagen hat, du könntest mir eine Zitrone schicken, damit ich wenigstens weiß, dass du sauer bist. Das hast du mir geschrieben, da waren wir vielleicht zwölf.

Wann fing es an, dass Freundschaften kompliziert wurden? Vielleicht waren sie das schon im Sandkasten, als ganz klar war, dass es nur eine beste Freundin geben kann. Wir wohnten in einer Straße, du vorne an der Kurve, ich ganz hinten im letzten Haus vor der Wiese, die bald bebaut werden sollte. Noch gehörte die Wiese uns und die Straße unseren Parcours aus Kreide, für unsere Dreiräder und Bobbycars. Wir trafen uns bei dir oder bei mir und wenn es Zeit war, uns zu verabschieden, begleiteten wir uns noch ein Stück nach Hause. Manchmal dreimal hin und her, um irgendwann in der Mitte Tschüss zu sagen, bis morgen. Einmal, als dein Papa dabei war, mit Abschiedskuss, das war seine Idee und fanden wir komisch.

Klar gab es andere Freundinnen. Monja oder Anna von gegenüber, die du nicht mochtest. Du warst meine Nummer eins und trotzdem immer ein bisschen eifersüchtig. Als ich ein Jahr vor dir in die Schule kam, bist du mit deinen Eltern weggezogen. Wir wurden Brieffreundinnen, besuchten uns viermal im Jahr und der Platz der besten Freundin wurde frei. Er wurde immer wieder neu besetzt, doch keine blieb, so ist es bis heute. Nur du.

Was hält uns zusammen?
Wir sind so verschieden.

Du kamst zu keiner meiner Partys, meine Freunde schüchterten dich ein. Oder interessierten dich nicht. Deine mich ja auch nicht. Bis auf einen, deinen Tanzpartner, der uns beide geküsst hat. Mich mit achtzehn, dich mit dreißig. Es geht nur um uns zwei. Beste Freundinnen, in guten wie in schlechten Zeiten, durch alle Lebensphasen. Mit langen Pausen, die den Alltag raushalten aus dieser Freundschaft.

Einmal dann richtig lange Funkstille und einsilbige Antworten auf meine Fragen. Nach meiner Hochzeit, bei der spontan eine andere Trauzeugin war. Auch diese Freundschaft währte nicht lang – zu empfindlich und explosiv, zu verschieden und doch zu gleich.

Manchmal sprichst du bitter, wie deine Mutter, der du scheinbar nie genügen konntest. Und ich manchmal pragmatisch wie meine, der ich nie richtig nah sein konnte. Beide sind wir doch mehr wie unsere Väter, die wir lieben. Wir suchten nach Männern wie ihnen.

Jetzt strampelt mein Kind neben mir und du wohnst in einem Haus mit einem Arzt und seinen zwei Kindern. Du hast den Vormietern den Rasenmäher abgekauft, einen neuen Job und einen Stall für deine zwei Pferde gefunden. Dein zweites Pferd habe ich noch nicht kennengelernt, auch nicht den Arzt. Und du nicht mein Kind.

Kennen wir uns noch? Unser Leben überholt uns in diesem Jahr, in dem der Rest der Welt den Atem anhält.