Christina Schmid
Konzeption und Gestaltung

Linie#5

Die sieben Minuten Fußweg schaffe ich in vier, wenn ich renne – was ich immer muss, weil mir, egal wieviel Zeit ich habe, kurz vor dem Losgehen noch etwas so Wichtiges einfällt, wie die Spülmaschine auszuräumen (das reicht noch gut), die Blumen zu gießen (ach, immernoch genug Zeit), die Fensterläden zu schließen (jetzt sollte ich aber los) und dann doch noch die Zähne zu putzen (oh, jetzt aber wirklich). Die Schuhe binde ich im Aufzug, während ich mit wenigen Klicks meine Fahrkarte kaufe und hoffe, dass unser WLAN bis ins Erdgeschoss reicht oder dass das mobile Netz diesmal rechtzeitig übernimmt. Die Fahrkarte konnte nicht heruntergeladen werden. Also renne ich, schwer bepackt, den Blick und die Finger auf dem Smartphone, die klackernden Schuhe verfluchend (dass sie so unbequem sind, hatte ich vergessen) den Berg hinab, bis mich ein weißwolliger Hund begeistert oder verstört, aber vor allem laut anbellt und bremst. Jetzt bin ich so richtig wach. Noch zwei Rolltreppen voller müder Menschen (Entschuldigung, darf ich bitte durch), dann unten, gerade noch rechtzeitig, Linie 1, die Türen noch offen, geschafft. Wie immer.

Vier Minuten Umsteigezeit von Gleis drei auf Gleis acht. Treppab, Treppauf, Warten.

Zwei Linienscharen aus Hochspannungsleitungen. Die einen parallel, die anderen diagonal zu uns. In Wellen, von Mast zu Mast.

Die Umgebungskarte empfiehlt mir Luftlinie und behauptet zwei Minuten Fußweg – von Treppen, Gedränge, dem Umweg um die Baustelle und einer roten Ampel weiß sie nichts. Ich renne durch Pfützen, das Wasser spritzt in alle Richtungen, die Uhr ging vor, Linie 4 steht noch da und nimmt mich mit.

Einer mit Sicherheitsnadel am Hut und Ringen an Nase und Ohr fischt nach Fahrgeld in seinem überweiten Hosenbein und in den überhohen Schnürstiefeln. Ein Loch in der Hosentasche, schnieft er entschuldigend. Er rüttelt am Stoff und braucht drei Haltestellen, bis die Münzen über den Boden nach hinten kullern.